Seid Ihr RealistInnen?

Utopie # 2

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“Sind Sie Realisten? Seid Ihr Realisten?” warf der Surrealist Georges Henein aus Kairo ein. Bereits vor einigen Jahrzehnten. Der ägyptische Schriftsteller wagte es, zu erwidern: Wenn das so ist, so wird es jemand übernehmen, sich um Euch und Euer Schicksal zu kümmern. Und welches Glück ist es nun, das uns erwartet, hier und heute?

Gegen den Realismus, der das kollektive Vorstellungsvermögen verschlungen und die Utopie begraben hat, pflanzen wir die Sonne und mit strahlenförmigen Fingern durchlöchern wir das Land der Schatten, der Einsamkeit und des Elends.

Nichts kann abgerechnet werden in dieser Oper des bewussten (Seins-)Verlusts, des Aderlasses und der Unwetter. Aus diesem Grund ist die Utopie langsam, aber widerstrebend - heiliger Abfall, wie es Bataille sagen würde. Dies ist unser einfacher Potlatsch. Wer ihn berührt, ist gezwungen, die Flammen an der nächsten Ecke zu entfachen. Welche Art von Feuer hast Du schließlich vergessen zu spucken, um die Gefängnisse des Alltags in der Hölle brennen zu lassen?

Frei zugänglich und ganzheitlich freiwillig erreicht die zweite Utopie die Straßen, damit die Augen sich nicht an die mediale Dunkelheit der Wohlstandsgesellschaft gewöhnen. Und damit der Verstand sich nicht täuschen lasse vom Fortschritt des Fetischs. Auf dass der freie Geist die Herrschaft des Konsenses verwerfe.

So skizzieren wir eine vieldeutige, freie und kritische Karte. Eine Karte, um sie gänzlich zu öffnen. Offen wird sie Furchen, Züge und ein Relief bekommen. Eine offene Karte um mit ihr die Treppen hinabzusteigen, denn das Denken erneuert sich allein in der Praxis. Der Rest ist der Staub von Doktorarbeiten, sozialdemokratische Ideologie oder die Phantasie der Reinen. Wir, wir haben Herz und Eingeweide. Dieser Durst, die Realität umzuwälzen, wird so bald nicht vergehen. Die Straße erwartet uns.

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Inhalt # 2

Die Utopie #2 ist die Kristallisation von 39 UtopistInnen, von IllustratorInnen, AutorInnen, ÜbersetzerInnen und LektorInnen.

In der zweiten Ausgabe fahren wir fort, zahlreiche AutorInnen in die deutsche Sprache zu überführen, darunter:

Jérôme Baschet („Antikapitalismus / Postkapitalismus”) widmet sich in seinen jüngeren Arbeiten der zapatistischen Bewegung und den politischen Herausforderungen, die die Selbstverwaltung und die kommunitaristische Autonomie in der heutigen Welt darstellen. Von der zapatistischen Realität ausgehend, thematisiert der Autor die Notwendigkeit, diese Praktiken auf die globale Welt anzusetzen und sie in Bezug auf die Perspektive der sozialen Emanzipation von unten nach oben und als Paradigmenwechsel auf die Gestaltung der menschlichen Existenz zu verallgemeinern.

Kathi Weeks („Das Problem mit der Arbeit: Feminismus, Marxismus, Anti-Arbeitspolitik und Post-Arbeitsvorstellungen”), eine der wichtigsten feministischen, postmarxistischen Denkerinnen, reflektiert über die Arbeit und unterzieht die Arbeitsgesellschaft jenseits der bloßen Betrachtung der Lohnarbeit erneut einer tiefgründigen Kritik unter antikapitalistischer Perspektive.

Mit Montserrat Galcerán (Wunsch (und) Freiheit. Eine Untersuchung der Voraussetzungen des kollektiven Handelns) eröffnen wir den LeserInnen einen postmarxistischen, feministischen, von Deleuze geprägten Ansatz, der die Freiheit in Gestalt einer Subjektivierung des gemeinschaftlichen Wunsches als Form des politischen Handelns bekräftigt. In der zweiten Utopie dekonstruiert die spanische Philosophin das Vokabular des Neoliberalimus und den perversen Gebrauch, den dieser von Begriffen wie Freiheit und Demokratie macht.

Emmanuel Rodriguez (Demokratie als Hypothese. Fünfzehn Thesen für eine angekündigte Revolution) ist aktiver Teil einer ganzen Galaxie von autonomen politischen Kollektiven in Spanien. Demokratie als Hypothese. Fünfzehn Thesen für eine angekündigte Revolution ist das Ergebnis von Gesprächen, die in den durch die Bewegung 15-M entstandenen politischen Räumen geführt wurden. In dieser Ausgabe veröffentlichen wir eine Auswahl von Auszügen aus dem Manifest.

Éric Hazan (Wir haben Grund, uns aufzulehnen) ist unabhängiger französischer Verleger und Gründer der Editions La Fabrique, einem Vorzeigeprojekt, wenn es um die Erneuerung des radikalen, unabhängigen und engagierten Verlegens geht. Unter seinem Dach erblickten Texte von Tiqqun und dem unsichtbaren Komitee das Licht der Welt. AutorInnen wie Houria Bouteldja, Judith Butler, Agamben, Badiou, Rancière etc. wurden von ihm publiziert. Der Text, mit dem wir Hazan vorstellen, entstammt der Einführung des 2013 veröffentlichen Buches Premières mesures révolutionnaires.

Einer der ikonischen und radikalsten gegenwärtigen Dichter der portugiesischen Literatur erreicht mit Alberto Pimenta endlich die Gefilde der deutschen Sprache. Des Weiteren präsentieren wir aus dem Portugiesischen den späten Surrealisten Mário-Henrique Leiria.

Wir fahren fort, das widerständige, aufwühlende und leidenschaftliche Denken von Santiago López Petit (“Für eine nächtliche Politik”) ins Deutsche zu gießen.

Erneut folgen wir dem himmlischen Humor, mit dem der Postsituationist Jaime Semprun die Mythen des Liberalismus, von Modernität und der Linken entblößt.

Ein weiteres Mal widmen wir uns der scharfen Kritik, die das anarchistische Kollektiv Los amigos de Ludd („Mythos und Misere der industriellen Welt“) am Industrialismus übt.

Neu in der zweiten Utopie sind deutschsprachige Texte, darunter:

Marianne Gronemeyer, („Wieviel Arbeit braucht der Mensch“) die durch ihr lebendiges und unermüdliches Denken und Schaffen rund um die Fragen der menschlichen Emanzipation gleichsam an einer grundlegenden Demaskierung der Mythen unserer Zeit arbeitet. Ihr Text in dieser Ausgabe befasst sich mit der kulturellen und systemischen Ausprägung der Arbeitskultur und -kultivierung.

Falk Richter („Deutlich weniger Tote“) thematisiert in seinen Stücken unablässig die Abgründe und Untiefen der gesellschaftlichen Verfassung. Ein Auszug aus Das System widmet sich dem Gemüt inmitten unserer besten aller Welten.

Wir veröffentlichen Anselm Jappe, Theoretiker der „neuen Wertkritik“ und anerkannter Kenner des Denkens von Guy Debord. Sein Artikel „Frei sein für die Befreiung?“ findet mit der zweiten Utopie endlich eine Entsprechung in der Muttersprache des Autors.

Das große Interview dieser Ausgabe wurde mit dem libertären Essayisten Charles Reeve realisiert. In zahlreichen veröffentlichten Werken setzt er sich mit den aktuellen Revolten auseinander und fragt nach der historischen Entstehung und emanzipatorischen Perspektive, die diese ausmachen.

Auch die zweite Utopie spart nicht an Bildern von: Frank Diersch /// Miguel Brieva /// Clara de Villiers /// Anne Selling /// Joanna Latka /// Azul Azul /// Ana Menezes /// Lena Lambertz /// Pierre-Paul Pariseau /// Si-Ying Fung

... diese und andere fruchtbare Samen für den Vielklang, den Abgesang, den Übergang und Aufbruch